Der Stadtrat beschließt, dass künftig sowohl bei der Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, als auch bei Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen, soziale, umweltbezogene und innovative Bedingungen gestellt werden.
Bei Ausschreibungen wird künftig folgender Passus übernommen:
„Berücksichtigung finden nur Produkte, die unter
Beachtung der Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation,
ILO, Nr. 29/105, 87, 98, 100, 111 und 138 und ohne ausbeuterische
Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 über die schlimmsten Formen
der Kinderarbeit oder im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention, Art.
32-37, hergestellt sind, bzw. Produkte, deren Hersteller oder Verkäufer
aktive zielführende Maßnahmen zur Umsetzung der o.g. Kernarbeitsnormen
und zum Ausstieg aus der ausbeuterischen Kinderarbeit eingeleitet haben.
Der Nachweis ist von den Herstellern entweder durch eine
Zertifizierung oder durch eine Selbstverpflichtung in Form eines
Sozialkodexes für sich und ihre Zulieferer zu erbringen, der durch ein
unabhängiges Gremium kontrolliert wird.“
Begründung:
Am 26. Juni 2009 hat der Landtag Rheinland-Pfalz in Mainz mit den Stimmen aller Landtagsfraktionen beschlossen, im öffentlichen Beschaffungswesen den Erwerb von Produkten, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen, zu vermeiden. Dabei fordert der Landtag die Landesregierung auf, „weitere öffentliche Einrichtungen, die Kreise und Kommunen über die Maßnahmen der Landesregierung zu informieren und zu ermutigen, im eigenen Zuständigkeitsbereich ebenso zu verfahren und entsprechende Maßnahmen umzusetzen.“
Nachdem das Gesetz zur Modernisierung des
Vergaberechts von Bundestag und Bundesrat verabschiedet und am 24. April
2009 in Kraft getreten ist, gilt unter Paragraph 97 Abs. 4 S.2. GWB n.
F.
„(4) Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und
zuverlässige Unternehmen vergeben. Für die Auftragsausführung können
zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die
insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen,
wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen
und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder
weitergehende Anforderungen dürfen
an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“
Die Stadt Koblenz hat bislang die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei der Vergabe mit der Begründung abgelehnt, dass das Bundesrecht keine rechtliche Grundlage für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte schaffen würde.
Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar. Selbst
die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Frau
Heidemarie Wieczorek-Zeul, stellt in einem Brief an Herrn Oliver Heinen
bezüglich seines Einwohnerantrags an den Stadtrat von Koblenz vom
29.4.2009 und der Antwort der Stadtverwaltung klar: „Es ist richtig, wie
von der Stadt Koblenz ausgeführt, dass das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen nur Regelungen für Vergaben oberhalb der
Schwellenwerte trifft. Das Gesetz steht aber natürlich einer Anwendung
der Regelung auch unterhalb der Schwellenwerte nicht entgegen. So
verlangt das BMZ bei seinen Vergaben die Einhaltung von Sozialstandards
auch unterhalb der Schwellenwerte.“
Auf der Grundlage der Beschlüsse
des Stadtrates zur Agenda 21 und zum Klimabündnis gilt es, in unserem
kommunalen Beschaffungswesen verstärkt ökologische und soziale
Standards zu berücksichtigen. Dazu haben nun sowohl der Landes- wie der
Bundesgesetzgeber die rechtlichen Grundlagen geschaffen.
Im
Merkblatt der Stadt Koblenz vom März 2008 bestätigt die Verwaltung, dass
sie „zu gegebener Zeit über eine Anpassung ihrer Vergabepraxis
entscheiden“ wird.
Im Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom
14.04.2008 wurde angemahnt, dass es noch keine rechtlichen Grundlagen in
Deutschland gäbe: „Den Zielen der ILO-Konventionen schließt sich die
Verwaltung vorbehaltlos an, sieht aber eine Instrumentalisierung des
Vergaberechtes, ohne rechtliche Grundlagen, nicht als das geeignete
Mittel an.“
Da die beiden Gesetzgeber nun Rechtssicherheit geschaffen
haben, kann nun ein entsprechender verpflichtender Beschluss gefasst
werden.
Anmerkung zu den ILO-Konventionen:
Auf ihrer 86.
Sitzung im Jahr 1998 definierte die Internationale Arbeitsorganisation 8
Kernarbeitsnormen, die heute den Status universeller Menschenrechte
erlangt haben und von fast allen Mitgliedsstaaten ratifiziert wurden:
– Nr. 29/105: Übereinkommen zur Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit in allen ihren Formen (1930/1957)
– Nr. 87: Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz
des Vereinigungsrechts ( 1948)
– Nr. 98: Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen (1949)
– Nr. 100: Übereinkommen über gleiche Entlohnung (1951)
– Nr. 111: Übereinkommen über Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz (1958)
– Nr. 138: Übereinkommen über das Mindestalter der Zulassung zur Be-
schäftigung (1973)
– Nr. 182: Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999) .