Beschlussentwurf:
Die Verwaltung möge die Realisierbarkeit einer 20%-Quote zur Förderung des sozialen Wohnraums in Koblenz überprüfen und geeignete Vorschläge unter dem Gesichtspunkt der sozialen Wohnbaupflicht erarbeiten.
Begründung:
Die verbindliche 20%-Quote ist ein von der Immobilienbranche in vielen deutschen Städten akzeptiertes Werkzeug der sozialen Wohnbauförderung. Dabei sollen die vom Bund und Land zur Verfügung stehenden Fördermittel selbstverständlich berücksichtigt werden. Die erforderliche Grundstücksverbilligung soll vom Planungsbegünstigten getragen werden.
Geltungsbereich: Die 20%-Quote soll stadtweit gelten, sofern neues Planungsrecht zugunsten einer höherwertigen Nutzung geschaffen wird (z.B. Fritsch-Kaserne). Die Mindestgrundstücksgrösse innerhalb des Geltungsbereichs sollte von der Verwaltung in einem Gesamtkonzept ermittelt werden. Die Sozialbauverpflichtung soll alle künftigen Verfahren und für alle Grundstückseigentümer – auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Stadt – im Falle der Neuschaffung oder wesentlichen Änderung des Planungsrechts mit einer nicht unerheblichen Bodenwertsteigerung unabhängig von der Art der neuen Nutzung (Wohnen und Mischnutzung) gelten. Sie soll nicht für Gewerbe- oder Industrienutzung gelten.
Zeitraum und Monitoring: Die Quote soll zunächst im Rahmen einer Pilotphase von zwei Jahren zur Anwendung kommen. Nach Ablauf dieser Frist sollen auf Grundlage von Wirtschaftlichkeitsberechnungen und erster Praxiserfahrungen weitere Verfahrensoptimierungen und Anpassungen vorgenommen werden.
Ein bedarfsgerechtes Wohnungsangebot ist eine zentrale Voraussetzung für das Wohlergehen einer Stadt. Dazu gehören auch preisgünstige, bezahlbare Wohnungen für untere und mittlere Einkommensschichten. Zurzeit reichen die bisherigen Instrumente zur Gewinnung von verbilligten Grundstücken für den geförderten Wohnungsbau nicht mehr aus. 92% der in dem Wohnungsbarometer von 2016 befragten Experten geben an, dass „die derzeitige Bautätigkeit in dem Segment des öffentlich geförderten Mitwohnungsbaus in Koblenz nicht ausreichend ist“.
Auf der Basis des Antrages der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 17.03.2016 ist die Verwaltung beauftragt worden, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die wichtige Akteure zusammenbringt, um effizient und sozial die Wohnungsnot zu lindern. Auf der Grundlage des bestehenden Wohnraumversorgungskonzeptes sollten die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen diskutiert und Vorschläge zu deren Umsetzung gemacht werden. Bislang wurde die Arbeitsgruppe nicht gegründet und die Zeit drängt.
In den Handlungsempfehlungen des kommunalen Wohnraumversorgungskonzeptes in Koblenz hatte man festgestellt, dass jährlich 30 Sozialwohnungen entstehen müssen. Diese Zahlen sind längst überholt, durch die Flüchtlinge und die gestiegene Zuwanderung aus dem Umland. Die Empfehlung wurde dennoch nicht befolgt und deswegen fehlt es am Koblenzer Wohnungsmarkt seit Jahren an bezahlbarem Wohnraum. Im Frühjahr 2016 wurde in dem Wohnungsmarktbarometer von dem Statistischen Informations-Systems in Koblenz wieder ein „ausgeprägtes Angebotsdefizit“ bei den mittleren und unteren Marktsegmenten festgestellt. „Die Polarisierung der Marktlage in Abhängigkeit vom Preissegment des Wohnraums hat sich nach Ansichten der Experten weiter verschärft“.
Diese Situation hat sich „in den letzten vier Jahren verfestigt“ (Wohnungsmarktbarometer 2016). Das generell noch existierende strukturelle Wohnungsdefizit und die sichtbare Polarisierung des Wohnungsmarktes verschärfen die Probleme benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Außerdem ist es zum Wohl einzelner Stadtgebiete, aber auch der städtischen Gesamtgesellschaft wichtig, dass unsere Wohngebiete sich nicht sozial entmischen. Ferner muss die Stadtentwicklung auch als Integrationspolitik betrachtet werden und sollte, angesichts der neuen Herausforderungen der Asylpolitik, priorisiert werden. Die Migrant*innen in Koblenz haben „besondere Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche“ (Wohnungsmarktbarometer 2016).
Daher sind in der Innenentwicklung dauerhaft Kontingente und Optionen für den geförderten Wohnungsbau zu sichern. Ferner bedingt die Alterung und Differenzierung der Stadtgesellschaft und damit der Wohnungsnachfrage auch eine größere Vielfalt an Projektträgerschaften und Wohnraumkonzepten im Wohnungsbau.
Die Regelung wird sich nicht abschreckend auf Investoren auswirken:
1. Wie oben erwähnt, ist die Wohnungsnachfrage in Koblenz sehr stark und die Einschätzung des Investitionsklimas (Wohnungsbarometer) deutet auf eine sehr positive Entwicklung hin.
2. Eine verbindliche 20%-Quote ist ein von der Immobilienbranche in vielen deutschen Städten, wie München oder Stuttgart, akzeptiertes Werkzeug der Wohnbauförderung. Erfahrungsberichte aus Stuttgart untermauern den Erfolg dieser Quote für die Wohnraumförderung. Mit Hilfe des „Erweiterten Stuttgarter Modells“ konnten 20 % der Baulandfläche für den geförderten Wohnungsbau bereitgestellt werden. Die Schlussfolgerung nach der Evaluierung der Pilotphase dieses Modells im Jahr 2014 lautete: „Nach jetzigem Sachstand können bei den mehr als 20 Planverfahren etwa 700 bis 900 geförderte Wohnungen erstellt werden“.
Die Quote ist mit 20% recht konservativ gewählt, so gibt es in Hamburg eine Quote von 30% und in Freiburg sogar eine Quote von 50%. Quellen: http://www.hamburg.de/contentblob/2962850/data/vertrag-fuer-hamburg.pdf https://www.haufe.de/immobilien/wohnungswirtschaft/fluechtlingsunterbringung-immobilienwirtschaft/umstrittene-quoten-fuer-sozialwohnungsbau_260_332936.html
Die 20%-Quote wird gleichzeitig zu einer Akzeptanzverbesserung und zu einer höheren Mitwirkungsbereitschaft der Bau- und Immobilienwirtschaft bei Vorhabenplanungen in den Stadtbezirken beitragen. In einer Pilotphase von zwei Jahren ist ein kontinuierlicher Dialog mit den Akteuren und insbesondere mit der Wohnungswirtschaft von großer Bedeutung. Ein Bündnis der Stadt Koblenz und die Bauunternehmer*innen muss angestrebt werden.
Schließlich soll die 20%-Quote als ein Teil einer urbanen, wohnungs- und sozialpolitisch bedeutsamen Strategie im Sinne nachhaltiger Innenentwicklung der Stadt verstanden werden. Diese Strategie soll in der geplanten Arbeitsgruppe (Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 17.03.2016) baldmöglichst konkretisiert werden.
Weitere Quellen, Informationen, Details:
- Koblenzer Wohnungsmarktbarometer 2016, Frühjahr 2016 (KoStatIS) http://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Bauen_Wohnen/infoblatt_32_2016.pdf
- Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM), Grundsatzbeschluss für eine sozial ausgewogene und städtebaulich, qualifizierte Bodennutzung in Stuttgart, 08.12.2010 http://www.domino1.stuttgart.de/web/ksd/ksdredsystem.nsf/AlleDok/F7A482818BE16AF9C1257801004D0556/$File/Vorlage8942010.pdf?OpenElement
- Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) Evaluierung, 18.03.2014 http://www.immobilienverlag-stuttgart.de/wp-content/uploads/2015/03/Mitteilungsvorlage_SIM_04_1014.pdf
- Soziale Wohnraumförderung Rheinland-Pfalz ab 2016 https://fm.rlp.de/fileadmin/fm/PDF-Datei/Bauen_und_Wohnen/Wohnraumfoerderung/Soziale_Wohnraumfoerderung/2016/Eckpunkte_Soziale_Wohnraumfoerderung2016.pdf
Hans-Peter Ackermann